Der Klang der Sprache muss mich berühren

Interview

Ruth Schildknecht ist seit 25 Jahren Buchhändlerin. Wir lernten uns in einer Buchhandlung in Basel kennen, als ich dort vor vielen Jahren ein Praktikum machte und sie an einem Vormittag zu Besuch kam. Wir kamen sofort ins Gespräch. Seitdem treffen wir uns immer wieder zum Austausch beim Mittagessen in Zürich oder zum Kaffee trinken auf der Buchmesse in Frankfurt.

Ruth Schildknecht kennt die Buchbranche auch als Verlagsvertreterin sowie aus der Verlagsperspektive. Sie war u. a. viele Jahre bei Diogenes angestellt. Ihr Wissen und ihre Erfahrung sind Gold wert! Ruth Schildknecht leitet seit Februar 2019 die Buchhandlung Nievergelt in Zürich Oerlikon. Nun habe ich sie in der Buchhandlung besucht, wo ich sie für den Literaturecho-Blog interviewen durfte.

Wie bist du zu deinem Beruf gekommen?

Das Bücherlesen entdeckte ich so richtig in der Primarschule mit dem Zugang zur Bibliothek in unserer Gemeinde. Ab dann las ich wie verrückt – alles, was mir in die Hände kam. Während meiner Mittelschulzeit entdeckte ich die Buchhandlungen in St. Gallen. Als dann die Berufswahl ein Thema wurde, durfte ich in drei verschiedenen Buchhandlungen eine Schnupperlehre absolvieren, und das hat mir auf Anhieb gut gefallen: Umgeben sein von Büchern und Menschen, Zugang zu so vielen Themen und Büchern haben und über Gelesenes  sprechen…

Was ist das Tollste am Arbeitsalltag?

Kein Tag gleicht dem anderen. Von Ladenbau – heute werden gerade die neuen Regalbeschriftungen  in unserer Buchhandlung montiert – bis zu Lesungen von Autorinnen und Autoren ist alles dabei. Zudem empfehlen wir Bücher, machen Menschen miteinander bekannt, liefern Bücher aus, verhandeln mit Lieferanten, treffen Verlagsvertreterinnen und -vertreter und machen uns mit den Neuerscheinungen vertraut.

Wann begeistert dich ein Buch?

Der Klang der Sprache muss mich berühren. Dann will ich mehr wissen. Und wenn mich dann noch eine der Figuren im Buch interessiert, ist es meist um mich geschehen. Es gibt aber natürlich auch Bücher, die will man einfach lesen, weil man die früheren Bücher der Autorin oder des Autors gern mochte. Grundsätzlich bin ich leicht verführbar…

Wer ist die letzte Autorin, die du für dich entdeckt hast?

Elif Shafak. Ich wollte schon immer mal etwas von ihr lesen, und nun habe ich zum Glück «Unerhörte Stimmen» gelesen und war begeistert, wie lebendig die Figuren sind. Aber auch Simone Lappert, gerade habe ich ihren neuen Roman gelesen. Wie sie Stimmungen beschreibt und auch hier der Ton ihrer Sätze – das hat mich sehr beeindruckt.

Was ist das Besondere an deiner Buchhandlung?

Wir sind einer der Begegnungsorte in Oerlikon. Hier trifft man sich samstags, wenn man vom Markt noch einen Schlenker zu uns macht, oder werktags bei einer unserer Veranstaltungen. Das möchten wir pflegen. Und wir haben das einzige Original-Graffiti von Harald Naegeli – das gibt es sonst in keiner anderen Buchhandlung.

Wie wählst du Bücher für die Buchhandlung aus?

Oft spielen Erfahrungen, die wir mit dem Verlag oder den Vorgängerbüchern der Autorinnen und Autoren gemacht haben, eine Rolle. Aber wir probieren auch gern spontan etwas aus, wenn es uns aus dem Katalog entgegen blinkt. Manchmal denken wir beim Anblick eines neu angekündigten Buches auch sofort an eine unserer Kundinnen oder einen unserer Kunden und kaufen es ein, um es ihr oder ihm zu zeigen, wenn es bei uns eingetroffen ist.

Gibt es besondere Aktionen für eure Kunden?

Wir versuchen immer wieder, die Verbindung vom Buch in den Stadtteil Zürich Nord – oder umgekehrt – zu machen. Viele unserer Kundinnen und Besucher freuen sich, wenn wir sie auf lokale Autorinnen und Autoren oder auf Themen aufmerksam machen, die es in Buchform zu bestaunen gibt. Aber natürlich kann man bei uns auch den Rest der Welt entdecken!

Die Buchhandlung Nievergelt ist seit mehr als 130 Jahren in Zürich-Oerlikon und seit 2019 unter dem Dach der Firma Scheidegger & Co. AG in Affoltern am Albis. Ruth Schildknecht leitet die Buchhandlung mit Herzblut und Passion. Lydia Zimmer dankt ihr herzlich für das Interview!

© Fotos: Portrait von Noah Bubenhofer, alle anderen von Lydia Zimmer, 2019.

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